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News zur Sonnenquelle

Interview mit Jonas Böhm

Auch bei der Sonnenquelle steht immer wieder die Behauptung im Raum, dass mit einem Solarpark der Landwirtschaft wertvolle Fläche für die Lebensmittelerzeugung entzogen würde. Zeit, einmal bei der Wissenschaft nachzufragen. Das Thünen-Institut ist das Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei, und somit ein unabhängiges Forschungsinstitut für die Politikberatung in Fragen der landwirtschaftlichen Entwicklung.

M. Sc. Jonas Böhm, Thünen-Institut für Betriebswirtschaft

Jonas Böhm ist Wissenschaftler am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft und Hauptautor einer Studie, die detailliert untersucht, mit welcher Energieform am meisten Energie pro landwirtschaftlicher Flächeneinheit erzeugt werden kann. Mit ihm haben wir gesprochen.

Sonnenquelle: Herr Böhm, könnten Sie bitte kurz Ihre Arbeit beim Thünen-Institut beschreiben und erläutern, wie Ihre Forschung die Debatte um Solarparks auf Ackerflächen bereichert?“

Böhm: Am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft erforsche ich im Rahmen meine Promotion das Thema „Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen“. Als ausgebildeter Landwirt und studierter Agrarwissenschaftler stehen dabei die landwirtschaftlichen Aspekte klar im Vordergrund. Ich errechne beispielsweise die aktuelle und zukünftige Flächenbeanspruchung von PV-Freiflächenanlagen. Zudem berechne ich, wie viel Energie sich mit den verschiedenen Formen pro Hektar „ernten“ lässt. Außerdem bearbeite ich Fragen wie die nach dem Einfluss verschiedener Faktoren auf die Wirtschaftlichkeit von PV-Freiflächen oder Agri- PV Anlagen.

„Der aktuelle Ausbau der Photovoltaik ist für die Lebensmittelproduktion absolut unbedeutend.“

Sonnenquelle: Es gibt Bedenken, dass Solarparks wertvolle Ackerflächen der Lebensmittelproduktion entziehen. Wie beurteilt das Thünen-Institut diese Sorge und welche Erkenntnisse liegen Ihnen dazu vor?

Böhm: Grundsätzlich ist die Sorge nachvollziehbar. Landwirtschaftliche Fläche wird für die PV- Stromerzeugung genutzt und steht somit einigen Landwirt*innen nicht mehr zur Bewirtschaftung zur Verfügung. Schaut man sich die Zahlen dazu an, wird aber deutlich, dass der Ausbau für die Lebensmittelproduktion absolut unbedeutend ist: aktuell sind zirka 0,1 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland mit PV-Freiflächenanlagen bebaut. Die ambitionierten politischen Ziele sehen einen Ausbau vor, der zirka zwei Prozent der landwirtschaftlichen Fläche beanspruchen könnte. Aktuell werden allein für den Anbau von Raps, der zu Biodiesel verarbeitet wird, drei Prozent der Fläche genutzt. Mit PV-Freiflächenanlagen lässt sich sehr effizient Strom auf der Fläche erzeugen. Meine Analysen haben gezeigt, dass mit einem Hektar Raps ein Diesel-Auto pro Jahr 57.000 Kilometer weit fahren, wenn eine Gutschrift für die Koppelprodukte angerechnet wird. Mit einem Hektar PV- Freiflächenanlage sind es rund vier Millionen Kilometer pro Jahr im Elektroauto, wenn Speicherverluste berücksichtigt werden. Durch diese deutlich effizientere Flächennutzung wird es deutschlandweit nicht notwendig sein, die Fläche für die Lebensmittelproduktion einzuschränken.

Effizienz zwischen Raps-Anbau und PV-Freiflächenanlage

Sonnenquelle: Ackerböden werden aktuell nicht nur für die Energieerzeugung mit Raps genutzt. Auch Biomasse wird heute schon im großen Stil für Biogas eingesetzt. Biogas hat heute schon eine tragende Rolle in der deutschen Energieerzeugung und im Klimaschutz. In Ihrer Forschung haben Sie auch Biogas untersucht. Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?

Böhm: Aktuell werden auf knapp neun Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland Energiepflanzen für die Biogaserzeugung angebaut. Mit dem Biogas wird aktuell ein Anteil von fünf bis sechs Prozent an der deutschen Stromversorgung erreicht. Der Ausbau von Biogasanlagen, die mit Energiepflanzen bestückt werden, ist begrenzt. Dies liegt daran, weil die Pflanzen in Konkurrenz zur Tierfutter- und Lebensmittelproduktion auf den gleichen Flächen stehen. Der Vorteil von Biogas ist die mögliche konstante sowie die vor allem theoretisch mögliche flexible Stromerzeugung. Bei der Stromerzeugung mit Biogas fällt auch Wärme an, welche optimalerweise genutzt wird. Vergleicht man die Energieerzeugung auf der Fläche, offenbart sich aber der große Nachteil der Biogasanlagen. Mit Biogas aus Mais lassen sich nur etwa sieben Haushalte pro Hektar und Jahr mit Strom versorgen. Mit Photovoltaik sind es hingegen 230 Haushalte je Hektar und Jahr. Sieht man sich die kombinierte Wärmeerzeugung an, also Abwärme und Strom, sind es ebenfalls sieben Haushalte, die pro Hektar und Jahr mit Wärme versorgt werden können. Mit Photovoltaik und Wärmepumpe sind es bilanziell 170 Haushalte pro Hektar und Jahr. Man muss aber auch deutlich sagen, dass, obwohl Speicherverluste berücksichtigt sind, nur ein System aus Windkraftanlagen und PV-Anlagen in Kombination mit einem Speicher zu einem funktionierenden Energiesystem führen kann. Trotz geringerer Energieerzeugung auf der Fläche hat Biogas eine wichtige Aufgabe in der Zukunft. Insbesondere aus Reststoffen wie Gülle kann nämlich klimaneutrales Methan für industrielle Prozesse erzeugt werden. Photovoltaik- Freiflächenanlagen hingegen sind so viel flächeneffizienter, dass der Einsatz für die Stromerzeugung deutlich sinnvoller erscheint.

Vergleich Stromversorgung über Biogas und PV-Freiflächenanlage pro Jahr

Sonnenquelle: Die Flächeneffizienz ist sicher für den Verpächter ein wichtiges Kriterium. Aber wie sieht es aus, wenn man weitere Aspekte in Rechnung stellt, also die ökologischen Effekte, oder einfach das verbleibende Potenzial der Böden für die Lebensmittelerzeugung? Könnte es sein, dass diese Äcker irgendwann für die Lebensmittelproduktion fehlen?

Böhm: Wie schon beschrieben ist der Flächenanteil, welcher zukünftig für PV-Freiflächenanlagen benötigt wird sehr gering. Da wir rund 60 Prozent der Flächen aktuell für die Futtermittelerzeugung nutzen, gibt es für die Lebensmittelproduktion deutlich relevantere konkurrierende Nutzungsarten. Mit PV-Freiflächenanlagen wird etwas auf der Fläche errichtet, was vollständig rückbaubar ist. Perspektivisch kann dort also wieder Landwirtschaft stattfinden. Es gibt aber noch einige rechtliche Unsicherheiten, wie bei der statistische Flächenerfassung oder der Vererbung der Fläche mit dieser Umwidmung umzugehen ist. Ein interessanter Nebenaspekt der PV-Freiflächenanlagen ist, dass mit gezielter Förderung die Biodiversität zunimmt. So ist es möglich, Strom zu erzeugen und den Artenschutz zu fördern.

„Diese doppelte Flächennutzung hat deutliche Effizienzvorteile.“

Sonnenquelle: Der Solarpark Sonnenquelle ist als Agri-PV-Anlage konzipiert. Inwieweit muss man dieses Modell in einer Effizienzabschätzung berücksichtigen? Und welche Rolle kann dieses Konzept aus Ihrer Sicht bei der Verringerung der Flächenkonkurrenz spielen?

Böhm: Als Agri-PV Anlage sollte die landwirtschaftliche Nutzung weiterhin stattfinden können und nicht wesentlich eingeschränkt werden. Diese doppelte Flächennutzung hat deutliche Effizienzvorteile. Guckt man sich die Energieerzeugung der tatsächlich nicht mehr landwirtschaftlich genutzten Fläche an, wird deutlich, dass im Vergleich zueiner herkömmlichen PV-Freiflächenanlage deutlich mehr Strom erzeugt werden kann. Die Flächenkonkurrenz kann somit verringert werden. Da Agri-PV Anlagen aber teurerer sind als normale Freiflächenanlagen sind mit diesen Konzepten höhere Stromkosten verbunden.

Sonnenquelle: Vielen Dank für das Gespräch.

In dem Faktencheck-Video „Energie vom Acker – lohnt sich das?“ werden die Ergebnisse der Studie informativ und anschaulich zusammengefasst: https://www.thuenen.de/de/newsroom/mediathek/faktencheck/energie-vom-acker-lohnt…