News zur Sonnenquelle
Sicherheit zuerst: Die sorgfältige Bodenprüfung vor dem Bau der Sonnenquelle.
Interview mit Michael Breintner, Süddeutsche Kampfmittelräumung
Im Saalekreis und auch südlich von Halle werden immer wieder Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Diese sollten vor gut 80 Jahren die kriegswichtigen Chemiewerke in Leuna und Schkopau treffen. Allein auf Leuna und Merseburg gingen etwa 18.000 Tonnen Bomben nieder. Eine Größenordnung, wie sie anderswo in Deutschland wohl nur auf die Industrie im Ruhrgebiet abgeworfen wurde.
Auch in Braunsbedra und seinem Ortsteil Krumpa werden immer wieder Fliegerbomben entdeckt. Vier Blindgänger konnten bis heute aufgefunden und entschärft werden. Bereits im Frühjahr wurde einer dieser Blindgänger gesprengt, hier finden Sie ein Video dazu aus dem MDR.
Veranlasst wurden die Erkundungen im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen zum Solarpark Sonnenquelle Geiseltal . Diese Maßnahmen dienen nicht nur dem Bauvorhaben, denn die im Erdreich schlafenden Bomben stellen fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine ernstzunehmende Gefahr dar. Dabei geht ein besonderes Risiko von Blindgängern mit chemischem Langzeitzündern aus. Diese Bomben sind so konzipiert, dass sie erst nach einem Zeitraum von bis zu 6 Tagen nach dem Aufschlagen detonieren. So sollten damals Personen getroffen werden, die bereits ihre Schutzräume verlassen hatten. Auch als Blindgänger behalten diese Bomben bis heute ihr heimtückisches Bedrohungspotenzial, denn sie werden durch den Alterungsprozess nicht inaktiv. Mehr noch: Nach knapp 80 Jahren steigt sogar das Risiko, dass es durch die chemischen Prozesse zur Detonation kommt – auch ohne äußeres Zutun.
„Wir können Langzeitbomben wie diese nicht einfach in der Erde belassen, sie könnten ohne größeres Zutun hochgehen. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Bürgern im Umkreis unserer Felder und müssen deshalb sicherstellen, dass wir sicher arbeiten können. Dafür übernehmen wir die kompletten Kosten für die Erkundung des Gebietes und lassen Blindgänger von Fachpersonal entfernen“,
Carl-Philipp Bartmer, AVG Mücheln
In den vergangenen 20 Jahren ist es in den ehemaligen Abwurfgebieten immer wieder zu Selbstdetonationen kommen. Meist sind dabei neben Sachschäden glücklicherweise keine Menschen zu Schaden gekommen. Aber es kann auch anders kommen. Bei Bauarbeiten an der A3 bei Aschaffenburg war eine derartige unerkannte Bombe durch Erschütterungen einer Fräse an der Oberfläche explodiert. Dabei kam ein Bauarbeiter ums Leben, zwei weitere wurden schwer verletzt. Ähnliches könnte auch bei Land- und Feldarbeiten in unserer Region passieren.
Wir wollten wissen, was bei der Suche und Entschärfung solcher Bomben zu beachten ist und haben Michael Beintner, Inhaber der Süddeutschen Kampfmittelräumung, dazu befragt:
Was genau ist Ihre Aufgabe als Kampfmittelräumer?
Meine Aufgabe ist es, Fundmunition aus dem letzten Krieg zu bergen und zu sichern und dann an den staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst zu übergeben. Wir führen die Gefahrenerkundung durch, während die Gefahrenbeseitigung nur vom staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst durchgeführt werden darf. Die Kosten für die Gefahrenerkundung trägt je nach Bundesland meist der Bauherr oder Grundstückseigentümer, während die Gefahrenbeseitigung immer vom jeweiligen Bundesland übernommen wird.
Was bedeutet es, dass in unserer Nähe der Verdacht auf Kampfmittel besteht und wie viele Verdachtspunkte haben Sie gefunden?
Wir haben eine Fläche von etwa 300 Hektar, von der wir bereits die Hälfte untersucht haben. Dabei haben wir rund 1.300 Befunde registriert. Bisher haben wir zwei Drittel der ersten Hälfte bearbeitet und dabei vier Bomben gefunden. Jeder Befund wird einzeln geborgen, um sicherzustellen, dass keine Munition zurückbleibt.
Welche Arten von Kampfmitteln könnten in unserer Region gefunden werden?
Grundsätzlich kann jede Art von Kriegsmunition gefunden werden. Da die Region sowohl angegriffen als auch verteidigt wurde, müssen wir hier auch mit Granaten verschiedener Kaliber von 7,5 cm bis 12,8 cm rechnen. Es ist möglich, dass auch ungewöhnliche Objekte, die mit Kriegsmaterial vergraben wurden, gefunden werden.
Können Bomben auf dem Gelände einfach explodieren?
Ja, das ist möglich, auch wenn es selten vorkommt. Die größte Gefahr besteht bei Bomben mit Langzeitzündern. Diese Zünder können durch chemische Reaktionen noch nach Jahrzehnten zur Detonation führen. Wenn eine solche Bombe gefunden wird und nicht entschärft werden kann, muss sie vor Ort gesprengt werden.
Wie werden die Verdachtspunkte identifiziert?
Wir nutzen ein Quad mit 6-Kanal-Sondiertechnik und GPS, um das Gelände zu scannen. Die Daten werden ausgewertet und Verdachtspunkte werden hinsichtlich Größe und Tiefenlage ermittelt. Jedes einzelne Objekt wird überprüft, um sicherzustellen, dass keine Kampfmittel zurückbleiben.
Wie wird festgestellt, ob sich tatsächlich Kampfmittel in einem Verdachtspunkt befinden?
Jeder Verdachtspunkt wird geöffnet und kontrolliert. Meistens finden wir Zivilschrott oder Bombensplitter, aber es können auch Granaten oder Bomben dabei sein. Nach der Kontrolle geben wir die Flächen frei.
Wie läuft eine Kampfmittelräumung ab? Wie lange dauert es?
Die Dauer und der Ablauf hängen von der Art des Kampfmittels ab. Infanteriemunition, Panzerfäuste, Bomben oder Granaten müssen unterschiedlich behandelt werden. Es wird vor Ort entschieden, ob das Kampfmittel transport- und handhabungsfähig ist. Ist dies nicht der Fall, wird sofort der Kampfmittelbeseitigungsdienst und die Polizei informiert und das Gebiet abgesperrt.
Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten?
Wenn wir Munition finden, entscheiden wir vor Ort, ob sie transport- und handhabungsfähig ist. Ist dies der Fall, wird sie bis zur Abholung gesichert. Andernfalls wird sofort der Kampfmittelbeseitigungsdienst verständigt und das Gebiet abgesperrt.
Was passiert mit den gefundenen Kampfmitteln?
Die gefundenen Kampfmittel werden vom staatlichen Kampfmittelbeseitigungsdienst abgeholt, entschärft und vernichtet. Unsere Aufgabe besteht darin, die Munition zu suchen, zu bergen und zu sichern, bevor wir den Kampfmittelbeseitigungsdienst informieren.
Besteht nach der Räumung noch die Gefahr, dass sich gefährliche Kampfmittel im Boden befinden?
Es kann nie mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden, dass keine Kampfmittel mehr im Boden sind. Manche Munitionsarten sind unter bestimmten Bedingungen schwer detektierbar. Diese Fälle sind jedoch äußerst selten.
Gibt es etwas, das Sie der Öffentlichkeit über Ihre Aufgabe gerne mitteilen würden?
Unsere Arbeit dient schlichtweg der Sicherheit der Bevölkerung. Wir klären gerne auf und versuchen Passanten die Angst zu nehmen. Jedoch möchten wir die Bevölkerung bitten, uns während unserer Arbeit nicht zu stören.